Unser Stiftsgarten
„Da alle Geschöpfe miteinander verbunden sind,
muss jedes mit Liebe und Bewunderung gewürdigt werden,
und alle sind wir aufeinander angewiesen.“
Papst Franziskus,
Enzyklika LAUDATO SI
Die Gärten der Zisterzienser
Seit den Anfängen des Mönchtums waren Gärten fester Bestandteil des klösterlichen Lebens. Sie waren Lebensgrundlage, Rückzugsort und Spiegel des geistlichen Lebens. Auch die Zisterzienser pflegten ihre Gärten als Orte der Arbeit, der Heilung und des Gebets. Hier wuchsen Obst, Gemüse und Heilkräuter, die der Gemeinschaft Nahrung und Medizin boten.
Im Sinne des benediktinischen Mottos ora et labora – „bete und arbeite“ – verband der Garten die beiden Pole des klösterlichen Lebens: die körperliche Arbeit und die geistige Einkehr. Zunächst reine Nutzgärten, wurden sie im Lauf der Jahrhunderte zu stillen Refugien der Kontemplation. Erst im Barock wandelten sich viele dieser schlichten, funktionalen Anlagen zu prachtvollen Gärten, die an fürstliche Schlossparks erinnerten – Sinnbild einer neuen Epoche des Glaubens und der Ästhetik.
Vom Nutzgarten zum Gesamtkunstwerk
Die Zisterzienser gelten als große Kultivierer der europäischen Landschaft, und doch ist wenig über ihre frühe Gartenpraxis überliefert. Sicher ist: Die mittelalterlichen Gärten dienten vor allem der Selbstversorgung und Heilkunst. Der Garten war Nahrungsspender, Apotheke und Ort der stillen Einkehr – kein Ort des Müßiggangs, sondern des Lebens im Einklang mit der Schöpfung.
Mit dem Barock erreichte die klösterliche Gartenkultur ihren Höhepunkt. Prälatengärten entstanden, reich geschmückt mit Skulpturen, Brunnen und Ornamenten — wie etwa heute noch im Stift Seitenstetten sichtbar. Die Architektur des Gartens spiegelte die Ordnung des Kosmos – symmetrisch, klar, von göttlicher Harmonie durchdrungen. Doch viele dieser Anlagen verfielen im 19. Jahrhundert oder wurden zu Nutzflächen umgestaltet. Erst heute, in einer Zeit neuer ökologischer Sensibilität, entdecken Klöster die spirituelle Kraft des Gartens wieder – als lebendigen Ort zwischen Tradition und Zukunft.
Der Reiner Stiftsgarten im Wandel der Zeit
Auch das Stift Rein blickt auf eine lange gärtnerische Geschichte zurück. Bereits im 17. Jahrhundert wurde hier ein barocker Garten nach französischem Vorbild angelegt – eine symmetrische Anlage mit Buchsornamenten, Brunnen und einem großen Spiegelteich, der das Kloster reflektierte.
Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich der Garten immer wieder. Aus den kunstvollen Broderien des Barock wurde im 19. Jahrhundert ein blühender Nutzgarten mit Orangerie und Bauerngarten. Der große Brunnen blieb über die Zeit hinweg ein zentrales Symbol – ein Hinweis auf den paradiesischen Ursprung des Gartens.
Doch wie vielerorts verfiel auch der Reiner Stiftsgarten im 20. Jahrhundert zunehmend. Die einst prachtvolle Anlage wurde zu Brachland. Erst seit 2024 erblüht sie wieder – in neuer, ungewöhnlicher Gestalt.
Österreichs erster
“wilder barockgarten”
In den vergangenen Jahren entstand hier außergewöhnliches Projekt verwirklicht: die Wiederbelebung des Stiftsgartens als erster „wilder Barockgarten“ Österreichs.
Das Konzept vereint die strenge Geometrie barocker Gartenarchitektur mit der ungezähmten Vielfalt heimischer Wildpflanzen. Wo einst akkurat geschnittene Beete dominierten, breiten sich heute artenreiche Wildblumenwiesen aus – auf einer Fläche von 7.000 Quadratmetern. Die Gestaltung folgt der historischen Grundstruktur, doch das Leben darin gehört den „sechsbeinigen Geschöpfen“: Bienen, Schmetterlingen und unzähligen anderen Insekten.
Gemeinsam mit dem Verein Blühen & Summen wurde ein ökologisches Gesamtkonzept entwickelt, das auf Nachhaltigkeit, Artenvielfalt und sanfte Bewirtschaftung setzt.
Drei Viertel der Fläche bestehen aus heimischen Blühwiesen mit herkunftszertifizierten Wildpflanzen. Sie werden schonend gepflegt, abschnittsweise gemäht und bieten Lebensraum für Insekten, Amphibien und Kleinsäuger.
Kräuter- und Bauerngärten mit Ysop, Salbei, Ringelblume, Mariendistel und alten steirischen Obstsorten ergänzen das Ensemble. Reptilienbiotope, Sandarien für Wildbienen, Wasserflächen und eine Weidengalerie schaffen vielfältige Lebensräume.